AUF DER FLUCHT

und dann hob er an

der gesang


————


auf dem absteigenden ast 

war er


sein sohn

wie er neben ihm saß

kreidebleich


mit dem geruch von säuerlichem schweiß

rauchdunst und tagelangem 

nicht geduscht haben

neben ihm


nicht er sein sohn

hatte sich den ast 

augesucht


sein sohn hatte ihn 

verfolgt vom leben 

immer auf der flucht seiend 

gegriffen 


in panik


im baumgeäst

nicht seinen wirklichen 

instinkten folgen könnend

als baumwesen


was er und sein sohn 

schon für immer waren

immer schon gewesen sind 

wie alle anderen 


vergriffen

hatte er sich 

sein sohn


auf der flucht


nach dem falschen

in diesem fall

einem absteigenden ast

greifend


————


und dann hob er an 

der gesang


————


und dann die angst vor dem lebendigen

im kopf des sohnes

in der eigenen wohnung

sich selbst überlassen


den krümeln auf dem boden

gegenüber

die langsam anfingen 

gestalt anzunehmen

wie gewürm sich zu bewegen

ohne schlaf


ohne schlaf seit fünf tagen

als in jedem vorbeifahrenden auto

die straßen entlanggehend 

der immer und immer gleiche loop 

aus diesem letzten song lief


die letzten zehn sekunden dieses einen songs

der zufällig in ihrer spotify-playlist lief

als sie die tür hinter ihm schloss


am morgen

gefühlt für immer sie 

die tür hinter ihm schloss


nach der für ihn fünften schlaflosen

in diesem fall streitsüchtigen nacht

in den nächten vorher wälzte er sich im 

eigenen schweiß und halluzinationen 


in sich symmetrisch mäandernden

schattengewächsen 

an seiner zimmerdecke


wenn er die augen öffnete 

war das was gerade noch in seinem kopf

hinter geschlossenen lidern zu sehen war

an die zimmerdecke projiziert


schallend lachen 

musste er da


im angesicht einer nacktschnecke 

die endlos und sich wiederholend

das bücherregal

in seine richtung hinunterkroch


im angesicht des kleinen dämons

der hinter dem koffer auf dem 

kleiderschrank sich anschickte sich 

in seine richtung zu bewegen


zu ihm hinstarrend 

und lachend


er auf dem bett-floß

der matratze

im dunkelzimmer


der zuflucht

der habicht-stelle

dem adlerhorst


dem versteckt-sein-dickicht

dem haifischbecken

der wasserstelle


zwischen ihr und ihm

sie die tür schloss

ins geäst


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der staub und die krümel auf dem teppich

denen er nicht mehr herr wurde


neben dem geld fürs nötigste 

verdienen müssen

und dem rausch immerhin 


und dem ausschlafen 

und der erschöpfung

vor dem tode und dem leben

vielmehr noch: dem leben


immerhin auf der flucht 

in bewegung seiend

flüchtend

fliehend hin zu


das herz stetig gallopierend

immerhin


aber: nicht gut

sagten die ärzt*innen


galoppierend zu viel

das herz

in die brandungswellen


und der raubbau

und überhaupt


das galoppierende

nicht zu zügelnde pferd


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es stolpert: ja


es stolpert mit stolz

und würde


es verrennt und verfängt sich

in unsagbarkeit


es ist weit

dieses herz


weit und offen

für das unsagbare


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ein totes

vor sich hin verwesendes 

gummibärchen


das seit tagen 

in seiner eigenen kotze

auf dem küchenboden liegt


sollte man nicht mehr essen


es ist wohl 

mit sicherheit

nicht mehr genießbar


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jesus fucking christ:

dein geruch ist kaum aushaltbar

und das meine ich nicht als kompliment

du erbärmliche nacktschnecke


wie du das bücherregal 

entlang hinunterkriechst

zu sich selbst


jesus fucking christ:


lieg du mal tagelang

in deiner eigenen kotze neben 

einem gummibärchen


das zudem auch noch tot ist

und vor sich hin verwest


und die verdammten krümel 

neben dir und überall

die langsam anfangen 

sich zu bewegen



wissentlich

dass du am nächsten tag

auf deine komplette familie triffst

deren mitglieder allesamt 

gehörig gut drauf sind


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das vor sich hin 

verwesende gummibärchen

dreht sich langsam zu ihm um 

und sagt:


»hell man yeah

was haben wir doch 

eine gute zeit gehabt«


und beginnt dann leise 


eine ihm bis dato

unbekannte melodie

zu singen