DIE HUNDE VON BUKAREST

die hunde streunen durch die aufgeplatzten straßen
entlang der feucht glänzenden gummistiefel
die zaghaft den westen lieben lernen
sitzen sphinxenhaft neben den eingängen der 
noch jungen geschäfte
mit ihren preisschildlosen aber goldbehangenen puppen
schlafen zusammengerollt auf pappe
die sie sich auf die kreuzungen der wachsenden 
fußgängerzonen gelegt haben
wachen über die gesenkten köpfe der passanten
die köpfe mit den erinnerungen an die toten und den 
gedanken an morgen
wenige denken daran geld zu verschenken
wenige denken an die farbkombination ihrer kleider
wenige denken darüber nach ob ihr gesicht freundlich wirkt
die vom regen aufgeweichten hunde sie wachen
wachen über den ungläubigen walzer 
den wir in den hallen des 
palastes tanzten in viel zu weiten hosen
wachen über die revolution und dass sie bleibt wo sie ist
wachen über die stöckelschuhe
die das kopfsteinpflaster noch nicht bewältigen können
wachen über die propagandaplakate der gesichter
die schon damals teil der korruption waren
jetzt aber noch ernster schauen
wachen über die noch jungen graffiti
die väterchen oktober den mittelfinger zeigen
wachen über die taxifahrer die dem tod wie asche von 
der kippe springen
über die coyotebar 
und den karaokeabend 
an dem wir uns zu alt fühlten
um mit den siebzehnjährigen den mit bedacht 
so hübsch gemachten like a virgin zu singen 
wachen über die aufgeplatzten kinderheime und dass sie 
wieder und wieder geöffnet werden 
die hunde die der straßenregeln mächtig sind 
die vor unseren nervösen kameras über 
den zebrastreifen eine menschenleere straße überqueren
wachen auch über uns wie wir 
vorbei an den bewegten bildern
den gebäuden auf denen ab und an 
die geschichte auflodert 
dem gnadenlosen regen ein lied singen
wachen über mich und mein verrotten
wie ich allein in der dunkelheit des viel zu großen 
appartements sitze und warte
warte auf ein zeichen auf ein gespräch
das aus den tunneln unter der stadt emporkrieche
sie wachen sie schließen sich zusammen 
sie haben die stadt genommen
zu ihrer wildnis gemacht haben den asphalt akzeptiert
die bröckelnden fassaden 
die liebenden und auch den hass
die verschlungenen finger 
die hoffnungen die seitengassen
sie schleichen umher sie kämpfen 
   
morgens um fünf wecken sie mich und uns und jeden 
mit ihrem gebell
ein ganzes rudel muss es sein direkt in unserer straße 
wie jede nacht
wie in fast jeder nacht hier in der aufgerissenen stadt
wenn man vergisst das fenster zu schließen
sie ziehen durch ihr revier pissen lachend an die mauern 
des palastes
heulen gegen das vergessen 
heulen an gegen das hupen und die von blech 
verstopften straßen
wie die klebstoffdurchtränkten kinder die 
lackparfumierten 
mit den veratmeten lungen die unter dem asphalt
ihre eigene stadt gegründet haben -

zurück in hamburg abends nach dem essen:
»was machst du noch heute nacht? wir gehen 
nach hause und schauen einen film«

»ich weiß es noch nicht« sage ich
»ich ziehe ein bisschen durch die gegend 
wie fast immer und 
wenn ihr es in der frühe in den straßen bellen hört 
heute werde ich es sein«