WEIT UND BREIT SIND KEINE RINDER ZU SEHEN

mein neffe (beinahe vier Jahre alt) sagte letztens

»pupsen ist mein leben«

und ich rief lautstark aus

»nieder mit den umständen«


zur wiedereröffnung der alten rindermarkthalle 

direkt neben dem schlachthof

nunmehr psychotrope megakirche 

zum täglichen konsum-gebet

wird öffentlich ein rind ausgeweidet


und ich versuche

an meinen nachbarn vorbeizukommen

ohne dass sie etwas merken

– ich schwitze zu viel


morgens aufstehend

wenn möglich

den computer einschaltend

später nachmittags an der kasse stehend

wenn möglich 

den computer ausschaltend 

dann abends wieder 

wenn möglich 

an der kasse stehend nachts 

den computer einschaltend


gefühlt immer noch

an der kasse stehend

mich ausschaltend

die bankkarte haltend


die bankkarte reinsteckend

den rest ausschaltend

die falsch herum reingesteckte 

bankkarte wieder herausziehend

die bankkarte richtig reingesteckt wartend

den bon überflüssig entgegennehmend


gegen abend überdrüssig einen schönen tag wünschend

mit den papiertüten im wohnzimmer immer noch 

an der kasse stehend mir selbst 

einen schönen abend wünschend

auf den gehwegen liegend

mit dem gefühlten schnee von morgen


weit und breit 

sind keine rinder zu sehen


obwohl der herbst in deutschland

seine kühlende hand auf meine stirn legt

bin ich so dermaßen aufgeladen 

dass ich in den armen meiner freundin 

immer noch in salzwasserpfützen dahin liegend

gleichzeitig ankomme


und der wind weht

in den blättern vor dem fenster der wohnung

und in ihrem nacken sitzen ozeane

in denen ich mit jedem kuss

einen weiteren zug nehme brustschwimmend  

der erleichterung entgegen

zumindest für kurze zeit

wie die wildgänse 


die an unserem letzten tag auf dem land

im vorherbstlichen morgen

in den süden aufbrechend

über unsere köpfe hinwegfliegen


so nah 

wir könnten sie fast mit unseren händen berühren 

oder ihnen zumindest 

einen neuen namen geben 


und trotzdem 

(was dich nicht beunruhigen muss) 

bin ich unruhig und über alle maßen gelangweilt

(was dich wirklich nicht beunruhigen muss)

wenn ich in supermärkten stehe


mit den gefühlt eintausend gleichzeitig laufenden fernsehern 

mit den gefühlt gleichzeitig bezahlenden kunden

mit den gefühlt gleichzeitig einparkenden autos

mit den gefühlt gleichzeitig ihr parkticket bezahlenden  

mit den gefühlt gleichzeitig streitenden paaren

mit den gefühlt gleichzeitig das gleiche fühlenden

mit den gefühlt sich gleichzeitig küssenden paaren

mit den sich gleichzeitig gefühlt paarenden

mit den gleichzeitig gelangweilten bin ich 

gefühlt sich gleichzeitig paarend

gelangweilt


ich sagte meinem neffen (beinahe vierJahre alt) am telefon

über seinen kopf hinwegfliegend

»wir sehen uns morgen und ich freue mich darauf«


und er sagte

seine hände nach mir ausstreckend

so selbstverständlich 

als wäre es mein neuer name


»ja«