ZWEI MOMENTE IN DREI TAGEN

mein mir selbst auffällig 
sich verschlechternder zustand 
in diesem moment
die stetig sich verdoppelnd aufziehende panik
im angesicht der nicht-zufluchts-orte

an der so befahrenen lauten 
anscheinend nicht enden wollenden 
großstadtstraße ohne ausweichmöglichkeiten 
ohne rückzugsmöglickeiten
ohne eine beruhigung des inputs
war auch spiegel des von mir gefühlten zustands 
zwischen uns

gibt es denn keine seitenstraße in der man 
wenn es auch länger dauert
dort ankommt 
wo wir hin wollten (so dachte ich)
aber ja nur: ich
hin wollte

wo es zumindest etwas beruhigter 
ein- auf- und ausatmender geht
durch die doch eh schon
schwer auszuhaltende
masse aus Ichs 

die tun und wollen und müssen und nicht anders können
wie wir zwei doch auch
aber wir zwei doch
aber eben: 
ja doch nicht

aber war da nicht noch spürbar
etwas vor zwei tagen 
in den seitengassen 
der textnachrichten

und mir wurde klar
dass deine unruhe (als ich dich besuchte)
ein ewiges abbiegen war
in seitenstraßen um 
aus purem selbstschutz

dorthin zu kommen 
wo du doch hin musstest
nicht wissend wo das 
wäre könnte zu sein sollte:

»warum bloß muss immer alles so schwierig sein«
weintest du bitterlich
in einer nacht in der wir in unserer ganz eigenen seitengasse standen 
fernab von den blicken anderer
und du fielst

»warum bloß muss immer alles so schwierig sein«
und ich sagte: »aushalten« 
so schien es 
»ist irgendwie alles worum es geht«
immerzu »aushalten«

und meinte damit auch
dass es mir schwergefallen war auszuhalten
dich schon so lange
nicht mehr richtig halten zu können

aber immerhin jetzt 
aufpassend dass du zumindest 
halb sanft gleiten konntest –

zwei momente in drei tagen gab es
in denen das ewige abbiegen in seitengassen
zwischen uns 

aufgrund der erschöpfung 
aus abbiegen in seitengassen
aus purem selbstschutz

endlich eine straße fand die 
einen ruhigen hinterhof
zum atmen versprach: 

der erste 
war am letzten abend als
uns der zufall natürlich 
einen liebeskranken 
in die ansonsten sturmfreie bude spülte

was nicht passender hätte sein können:
auf großen kreuzungen stehend kommt es aus allen richtungen
dafür sind sie ja da

und wir danach am platz saßen und du endlich
deinen kopf an meine schulter legtest 
und auf und ein und vor allem: aus- 
geatmet hast
was ich dann schon gar nicht mehr einatmen konnte

aus einer der möglichen Ich-Richtungen 
kam ein schwerbetrunkener 
fiel neben uns zu boden –

manchmal merke ich mir den 1. September nicht
ich bin so beschäftigt mit der wahrheit
dass ich nicht auf 
gesagtes hören kann

– und dein doch gerade noch an mir ruhender kopf
sprang auf und bot deinen arm zum aufhelfen an

jemandem der nach dem ersten aufstehen
sicherlich bald wieder gefallen wäre

am boden fällt man nicht mehr tief
in all dem aushalten müssen
und dann doch eh im dunkeln

im zu ende denken meiner nächstenliebe
machte es keinen sinn
die zeit aufzubringen 
jemandem der am boden sein will
aus seiner wunschposition zu befreien
nur um dann wieder fallen zu müssen

im zu ende denken meiner nächstenliebe war mir
sein direkt neben uns mit uns und bei uns sein können
in der dunkelheit unseres endlich ruhens
zwischen zwei punkten
die schönste und diesem für uns noch namenlosen 
die zugeneigteste geste

ich aber wollte unserer seitengasse 
in diesem moment
keinen neuen straßennamen geben 

ich und wir waren doch auch fallend

merktest du das denn nicht
und selbst auf dem bett liegend
endlos redend
keine seitenstraßen in sicht
und halt sowieso nicht

der betrunkene sagte: »hallo« 
und meinte damit:
du lebst so vegetarisch
wie du beziehungen führst
mit zumindest einem zugedrückten auge
und wenn der moment es verlangt
ist ein echter burger okay

und der zweite moment war
im zug auf dem weg zurück
den wir gerade noch rechtzeitig erreichten
natürlich gehetzt 

weil aus der masse von Ichs
eine*r sich vor unsere bahn geworfen hatte
weil all das ja eh kaum auszuhalten ist

und ihn/sie niemand aufgehalten hatte
und das wiederum uns aufhielt 
und der zeitplan durcheinander geriet
wie doch eh schon alles

aber dann im zug und das nur
weil wir uns im zug wiederum bewegten 
ohne uns selbst dabei 
bewegen zu müssen

in dieser endlich mal nicht vom eigenen körper
passierenden bewegung zwischen zwei punkten
legtest du deinen kopf in meinen schoß 
und schliefst ein

und als du aufwachtest sagtest du:
das tat gut
und meintest den schlaf

und ich sagte: ja
und meinte damit: ich liebe dich

einfach so 
genau jetzt 
in diesem moment
 
und meinte damit dass wir zwei punkte endlich
die distanz aufgehoben hatten

die zurückzulegende wegstrecke
oft über befahrene kreuzungungen
oft über seitengassen oder per zug 
egal wie: erreicht

zwei punkte
zumindest kurz 
aufeinandergelegt 

-

auf dem bahnhofsvorplatz ausgedacht von Ichs
um Ichs eine möglichkeit zu bieten
aus allen richtungen in alle richtungen
Ich zu sein 

stehend 
sagtest du: 
ich muss jetzt da lang gehen

und ich sagte: 
ich muss jetzt da lang gehen

es regnete in strömen
inmitten vieler Ichs
zersprang mein herz und

es war das wäre sollte
kaum auszuhalten